Sonntag, 16. August 2015

Tag der Widersprüche - Istanbul II

Da Tara nun ohne Welle und Schraube an Land stand, konnten wir Istanbul nun zu Viert besichtigen. Eine neue Welle sollte erst nach dem Wochenende kommen. Auf dem Programm stand daher für heute Topkapi Polast und Hagia Sofia. Beide Gebäudekomplexe werden inzwischen nur noch als Museen genutzt. Der Topkapi - Palast, Sitz der Sultane, gab einen Einblick in eine Lebensart, die weit von Unserer entfernt ist. Staat und Kirche waren hier bereits an dieser Stelle vereint. Das Leben der Sultane in einer Art, die von Prunk, Protz und Vielweiberei geprägt war. Die Mütter der Sultane spielten ihren Söhnen praktisch täglich andere Frauen zu, damit dessen Gene verbreitet werden. Im Haarem lebten neben den Eunuchen, den Mitgliedern des Haarems, auch noch rd. dreihundert Kurtisanen. Die Favoritinnen des Sultans wurden mit Männern verheiratet, die am Hof ausgebildet wurden um den Staatsapparat zu leiten. Zumeist junge Christen wurden als Kinder gestohlen und im Palast aufgezogen und ausgebildet. So waren die Ämter stets mit palastnahen Menschen besetzt, die keine Verbindungen zu ihrer Herkunft mehr hatten. Eine Art des Lebens, die ausschließlich auf die Machterhaltung des Sultans ausgerichtet war. In meinen Augen ein Menschen verachtendes Regime, in dem Frauen aktiv dazu beigetragen haben, dass diese Art des Lebens weiter geführt werden konnte. Dann Hagia Sofia, gleich neben dem Palastgelände. Eine Kirche, die bereits im 6. Jahrhundert geweiht wurde und als Hauptsitz der Ostkirche galt. Eine unvorstellbare Größe und Pracht, zu einer Zeit, in der technische Bauhilfsmittel praktisch nicht vorhanden waren. Die Kirche wurde betrieben, da war der Prophet Mohammed noch nicht geboren. Hätten die Muslime im Bildersturm die schönen Mosaike nicht zerstört, wäre ein sagenhafter Kunstschatz erhalten geblieben. Einzelne Mosaike wurden zum Glück nur zugegipst. Da die Hagia Sofia nicht mehr als Moschee genutzt wird, werden heute in mühevoller Kleinarbeit viele Kunstwerke wieder freigelegt. Durch diese Kunstschätze gehen einträchtig Moslems und Andersgläubige aus vielen Ländern. Die türkischen Moslems begreifen diese Kunstschätze als Teil ihrer Kultur, obwohl sie diese Kultur zerstört haben und an der Errichtung dieser Gebäude nicht beteiligt waren. Sie wissen, dass Griechen und Römer hier große Kulturgüter geschaffen haben, sehen es jedoch als Teil ihrer Geschichte. Ein merkwürdiges Geschichtsverständnis.
Auf dem Weg durch die Stadt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln erleben wir Türken, für uns erneut im Widerspruch. Eine auf den Mann ausgerichtete Gesellschaft, siehe getrennte Gebetsstätten, getrennte Bereiche für die Fußwaschung usw., sind jedoch, was den Umgang mit Kindern betrifft, ausgesprochen Liebevoll. Hier bringt sich der Mann genauso ein, wie die Frauen. Männer stehen in öffentlichen Verkehrsmitteln für Frauen von ihren Sitzplätzen auf und helfen ggf. beim Ein- und Aussteigen. Eine Lebensart, die ich mir in Berlin wünschen würde. Wir haben erlebt, dass ein Kind durch die Hupe eines Autos im Kinderwagen erschreckt wurde. Dass der Autofahrer überlebt hat, ist nur der Distanz anzurechnen, sonst hätte der Vater garantiert zumindest ein Wortduell geführt. Auf der anderen Seite sieht man ständig Kinder im Auto unangeschnallt herumtoben. Das passt nicht zur Kinderliebe.